Die Produktion Das Leben am Rande der Milchstraße stellt ein besonderes und eigenwilliges Projekt dar, das zwischen Oper und „skurriler“ Sitcom angesiedelt ist. Äußeres strukturelles Format ist die Sitcom, Guckkastenprinzip und die Couch als das wichtigste Requisit des Bühnenbildes.
Die Lebenswelt des Individuums darf heute nicht mehr als für sich existente Monade betrachtet werden: In einer globalen und globalisierten Welt sind wir jederzeit erreichbar, ortbar, überprüfbar. Die virtuelle Vernetzung von privatem und öffentlichem Raum ist beinahe omnipräsente Realität geworden. Solchermaßen sind Film und Fernsehen nicht nur als narratives und stilistisch prägendes Medium, sondern auch als Begleiter unseres Alltags – in Form von Smartphones oder Tablets – aus der heutigen Gebrauchswelt nicht mehr wegzudenken. Der Screen selbst wird zum Geschichtenerzähler, oft sogar zum Verursacher, aber auch zum Bewältigter von Konflikten, zu einem Identifikationsobjekt, zum sozialen Gewissen, Lebensberater, zu einem Dorfplatz, einer Schaubude, einem Zirkus und einem Newsdrama zugleich.
Das Zusammenführen des Massenmediums Film/TV mit zeitgenössischer Musik, deren Liaison nicht selten unentdeckt bleibt, fördert – wenn auch meist unbewusst – deren Akzeptanz bei einem Neuer Musik sonst eher skeptisch begegnenden Publikum. Darüber hinaus wird mit der von WIEN MODERN in Auftrag gegebenen Sitcom-Oper «Das Leben am Rande der Milchstraße» mit der Musik von Bernhard Gander der Versuch unternommen, zeitgenössisches Musiktheater mit dem gegenwärtig wohl beliebtesten Format des Mediums Film/TV in Verbindung zu bringen. Solchermaßen können gesellschaftspolitische Frage- und Problemstellungen mittels des Formats «Sitcom» auf humoristische Weise thematisiert und beleuchtet werden. So sind es bei «Das Leben am Rande der Milchstraße» die sich rasant veränderten Bedingungen unsere Arbeitswelt, die den Rahmen der im Kern durchaus auch als Familiengeschichte konzipierten Sitcom bilden. Schlagworte wie Optimierung, Flexibilität, Rentabilität und Effizienzsteigerung gehören zum fixen Repertoire der modernen Bürowelt. Die Verbindung von Arbeits- und Lebenswelt zu einem einzigen Raum, einer Bühne, einer Kantine, ja, wenn man so will einem Sofa, ist paradigmatisch für die Zeit, in der wir leben und arbeiten. Auf dem Sofa der Sitcom-Oper «Das Leben am Rande der Milchstraße» werden Bürokratie, Beamtentum, die Zukunft der Arbeit und die Zukunft der Zukunft beleuchtet.
Das EBF, European Bureau for Future, mit seinem Sitz in Österreich (Klosterneuburg, Milchstraße 142a) ist eine international vernetzte Denkfabrik. Im Rahmen der durch die Wirtschaftskrise verursachten Einsparungsmaßnahmen wird das Büro einer umfassenden Evaluierung unterzogen. Zur Überprüfung der Effizienz beauftragt Brüssel einen seiner besten Agenten, Leo Maria Bloom, der die neue Generation der Beamten verkörpert. Dieser hat im Vorfeld durch Recherchen herausgefunden, dass der Leiter des EBF, ein gewisser Jürgen Oder, sein biologischer Vater ist. Bloom malt sich bereits aus, wie er einerseits das Büro auf Vordermann bringt, andererseits seinen Vater kennenlernt und somit die in seinem Leben schon lange wahrgenommene Leere füllt. Die Konstellationen der einzelnen Figuren bilden das Gerüst für die Wechselwirkung zwischen Sitcom und Musik. Das musikalische Spektrum ist dabei jenseits der klassischen Kategorien wie etwa Filmmusik und Video zu finden; es wird gezielt der Versuch unternommen, dem Format Oper/Musiktheater im Zusammenwirken mit der Regie einen neuen, originellen Impuls zu verleihen.